Herleitung

Immer wieder kommt es vor, dass Menschen ohne Angehörige, ohne Freunde und Bekannte, unbemerkt und vereinsamt sterben. Menschen, die in dem sozialen Treiben der Gesellschaft keine Rolle mehr gespielt haben und irgendwann einfach von ihr vergessen wurden.
Ein Leben erlischt ins Nichts. Die Geschichte dieses Menschen wird nicht mehr weitererzählt, wird noch nicht einmal in der Erinnerung Anderer weitergelebt. Kein Sohn, keine Tochter, kein Neffe oder Enkel, kein Freund oder Kumpel in dem dieser Mensch weiterleben könnte. Keine große Tat, keine Erfindung, keine künstlerische Genialität, weil entweder nicht vorhanden, oder sie ihren Weg nicht an die Öffentlichkeit gefunden haben, machen diesen Menschen in der Gesellschaft  ergessen. Die Geschichte dieser Menschen erlischt, bleibt nichterzählt und reiht sich ein in die Masse der „lost stories“.
Mit dem Tod eines Menschen erlischt aber nicht nur ein einzelnes Leben, es erlischt ein Universum an Erfahrungen, Erinnerungen, Emotionen und eine der Verästelung des Ahnenbaums der Menschheit. Denn in jedem einzelnen Individuum steckt die Geschichte der gesamten Menschheit, die Geschichte des gesamten Universums. Nach nur wenigen Generationsschritten rückwärts wird klar, dass der Einzelne mit der gesamten Menschheit verwandt ist. Der Mensch als ein riesiges Netzwerk der genetischen Verästlungen und evolutiven Entwicklung.
Trotzdem ist jeder Mensch ein Individuum, das seine ganz eigenen, persönlichen und privaten Erfahrungen gemacht hat, das seine Vorlieben und Abneigungen, Ängste und Befürchtungen, sowie seinen eigenen Mut und seine eigene Ästhetik hatte. Kein anderer konnte ihm Schmerz oder Leid abnehmen, konnte die Freude übernehmen.
Dieser Mensch lebte sein eigenes, nicht vergleichbares und einzigartiges Leben.

Das Projekt

Mit dem Projekt „Lost Stories“ wird ein Team aus Künstlern der unterschiedlichen Disziplinen wie Bildende Kunst, Darstellende Kunst, Tanz und Musik diesen verstorbenen Menschen eine Plattform geben. Es wird eine Ausstellung in Verbindung mit inszenatorischen Performances kreiert, in der das Leben, aber auch der gesellschaftliche und zeitliche Kontext des Verstorbenen aus der Sicht der Künstler thematisiert und auf poetische, assoziative und atmosphärisch verdichtete Weise interpretiert wird.
Dabei will das Team nicht das Leben der Verstorbenen biographisch, chronologisch „abarbeiten“, sondern hat den Anspruch bei jedem das Besondere, die Eigenheiten, das Individuelle und das Erzählenswerte in sinnlichen, erfahrbaren Ausstellungen und Aufführungen einem breitem Publikum nahe zu bringen!
Dabei steht die künstlerische Interpretation im Vordergrund.Fragen wie: welche Begabungen hatte die Person, welche Ereignisse in ihrem Leben erzählen von der Zeit, der Umgebung und der sozialen Situation, welche Konflikte musste sie durchstehen, Fragen die neben dem Individuellen den sozialen, geschichtlichen und politischen Kontext der Person sichtbar machen und in Verbindung mit den Zeitzeugnissen die Reihe „Verlorene Geschichten“ über die persönlichen Geschichten hinaus zu einer Spiegelung der bestehenden Verhältnisse werden lässt.
Diese, von den Künstlern ausgesuchten Gegebenheiten und Gegenstände, die Exponate und Requisiten sind originale Gegenstände des Verstorben, sie werden durch das Team professionell archiviert und strukturiert ,werden zu einer assoziativen Performance, in der verschiedene Geschichten mit Hilfe verschiedener Ausdrucksformen erzählt werden ausgearbeitet.
Die Individualität des Verstorbenen macht jede Aufführung und Ausstellung zu einem Unikat und gibt die jeweilige Ausdrucksform vor. Die Auseinandersetzung des Teams mit den Dingen der Person bestimmt den Inhalt und die Form der Produktion.
Es wird ein „Erlebnisraum“ kreiert in dem der Rezipient vielen Aspekten, Geschichten, Erlebnissen und Ereignissen aus dem Leben, der Zeit und dem sozialen Gefüge des Verstorbenen begegnet. Immer aus der Sicht der Künstler, immer als Interpretation des Lebens und des Verstorbenen selber.
Das Team wird sich ergebnisoffen dem Leben des Verstorbenen nähern, den Inhalt, die Ästhetik, die Darsteller und anderen Künstler erst nach genauer Recherche und Ausarbeitung eines künstlerischen Konzeptes festlegen und aussuchen.
Dabei scheut das Team nicht die Auseinandersetzung mit Verstorbenen deren politische, moralische, sexuelle oder ethische Ausrichtung nicht einer modernen, demokratischen und humanistischen Gesellschaft entsprach

Erinnerungskultur

Das Projekt „Lost Stories“ will den Umgang mit Altern, Sterben, Tod und Vergänglichkeit in den Alltag unseres Seins zurückholen.Es soll eine Art moderner Erinnerungskultur kreiert werden, der den Verstorbenen in einer neuen, ritualisierten Kunstform Respekt und Anerkennung zollt, jedoch ohne zu erhöhen, ohne zu glorifizieren und ohne zu mystifizieren.